Giovanni Carafa duca di Noja, Topographische Karte der Stadt Napoli und ihrer Umgebungen, Neapel 1750–75, part.

Naples Digital Archive

Moving Through Time and Space

Städtische Ikonographie und historische Führer sind hervorragende Instrumente, um Gestalt und Entwicklung einer Stadt zu verstehen. Das Projekt kombiniert zum ersten Mal historische Karten, georeferenziert auf den aktuellen Stadtplan, mit der dazugehörigen beschreibenden Literatur. Diese virtuelle kartographische Schichtung ermöglicht erstmals, sich durch Zeit und Raum einer Stadt zu bewegen.

Das Projekt widmet sich der Erforschung und thematischen Aufarbeitung der historischen Ikonographie der Stadt Neapel von der Neuzeit bis in die Gegenwart. Ziel ist eine digitale Karte, die georeferenzierte historische Karten übereinander blendet.

Ausgangspunkt ist das reiche bildliche und kartographische Material, das zum Stadtgebiet in seiner historischen Entwicklung vorliegt. Die Eckpfeiler bilden die Karten von Lafréry 1566, Baratta 1629, Petrini 1748, Duca di Noja 1750–75, Rizzi Zannoni 1790, Marchese 1804–13, Schiavoni 1872–80, sowie die Urmappe des historischen Katasters, 1895–1905. Unter Einbeziehung neu gewonnener Daten aus Archivdokumenten auf einer digitalen Plattform, welche die übereinander geblendeten historischen Karten und Bilder mit einer komplexen Datenbank verknüpft, wird die stadthistorische Entwicklung Neapels analysiert und visualisiert. Damit einher geht eine historisch-kritische Untersuchung der Darstellungsmethoden und ihrer digitalen Verarbeitung. Die grundlegenden planimetrischen Bezugspunkte der thematischen Karte bilden Pläne und Urkundenbücher aus dem 16. bis 18. Jahrhundert, der Stadtplan des Duca di Noja, Reliefkarten aus dem 19. Jahrhundert sowie aktuelle fotogrammetrisch erfasste Luftbildaufnahmen der Umgebung.

Das Ziel ist eine digitale Karte, die die Stadt zur Zeit der Vizekönige (1503–1734) zeigt, und die Gestalt der urbanen Textur erfasst. Möglichst viele bildliche, kartographische und dokumentarische Zeugnisse sollen zu diesem Zweck herangezogen werden, erstmals auch Karten aus der Zeit vor der Einführung des Katasters. Dabei handelt es sich um Aufzeichnungen, die in der Ära der spanischen und österreichischen Vizeregentschaft auf Wunsch der religiösen Ordensgemeinschaften oder privater Grundstücksbesitzer inner- und außerhalb der Stadtmauern entstanden und zum Zweck der Wissensgewinnung, der Kontrolle und der Parzellierung des Bodens zur Festlegung des Pachtzinses und die Eintreibung der Mieteinahmen erstellt wurden. Das umfangreiche, in den Archiven von Neapel und Kampanien verwahrte Kartenmaterial wird anhand präziser topographischer Punkte georeferenziert digitalisiert und so zusammengesetzt, dass gleichsam eine 'Aufnahme' der Stadt zur Zeit der Vizekönige entsteht. In das digitale Format lassen sich anschließend Graphiken, Textdaten – insbesondere Informationen aus historischen Stadtführern – und Verlinkungen einfügen.

Die historischen und kartographischen Daten werden in einem 'offenen Archiv' zusammengeführt, dem in weiteren Schritten Informationen zu Urbanistik und individueller Architektur in ganz unterschiedlichen Maßstäben hinzugefügt werden können. Geplant ist die Kombination mit (publizierten und unpublizierten) Texten, Graphiken oder Hyperlinks, die Informationen zu einzelnen städtischen Orten aber auch zu Gebäudeteilen (wie etwa Familienkapellen) direkt im kartographischen Raum verorten.

Das für die langfristig angelegte Untersuchung ausgewählte Großraumgebiet bilden die 12 historischen Viertel der Stadt Neapel, wie sie auf den Karten aus der Zeit vor der Einigung Italiens erscheinen. Im Zeitraum von 2018-2010 soll das Hauptaugenmerk auf der Entwicklung einer angemessenen, historisch-kritischen Methode und der technischen Umsetzung an der Schnittstelle zum digitalen Archiv liegen.

Konkrete erste Ziele sind a) die Erstellung der 'mappa vicereale'; b) die detaillierte Erschließung von zwei besonders aussagekräftigen Gebieten von der griechischen Epoche bis ins 18. Jahrhundert, nämlich der Insula der Kathedrale und jenes Areals, das den antiken Decumano inferiore (auch bekannt als Spaccanapoli) säumt.

Resultat wird die erste digitale thematische Karte Neapels sein, die über Open Access online zugänglich ist. Sie wird nicht nur das Wissen über die Stadtentwicklung erweitern, sondern sich auch auf die weitere wissenschaftliche Erschließung des geschichtlichen, künstlerischen und architektonischen Erbes von Neapel auswirken. Nicht zuletzt kann sie als effektives Instrument für die Verwaltung der Kulturgüter im historischen Stadtzentrum von Neapel dienen, das seit 1995 auf der Liste der UNESCO-Weltkulturerbestätten geführt wird.

Zur Redakteursansicht