Topographie, Zeitlichkeit und Materialität der Heiligenverehrung in Süditalien (13.-14. Jahrhundert)

Dr. Adrian Bremenkamp

Die Präsenz von Heiligen auf Erden ist auf Bilder und Reliquien angewiesen. Reliquien sind materielle Überreste von Heiligen und damit eine Substanz, die zwischen den Welten steht: noch der Erde verbunden, aus der sie stammen, aber kraft der ihnen innewohnenden virtus schon dem Paradies teilhaftig. Als bloßes Material sind sie semantisch defizitär: sie bedürfen der Repräsentationsleistung der Schrift und des Bildes, sowie der räumlichen Kontextualisierung, um ihre bloße Materialität zu aktivieren.
Das Projekt untersucht das Verhältnis von Bild und Reliquie im Kontext der Nutzung von Heiligenkulten und ihrer Repräsentationsmedien für dynastische oder kommunale Legitimationsstrategien und politische Identitätsbildung. Süditalien im späten 13. bis ins mittlere 14. Jahrhundert bietet sich als Untersuchungsrahmen an, da das seit 1266 von den französischen Anjou regierte Königreich Neapel wechselnde Allianzen mit Ungarn und Aragon einging und die Herrscherdynastie aktiv das Projekt einer Sakralisierung ihres Geschlechts verfolgte. Erforscht wird die räumliche und mediale Streuung sakralpolitischer Setzungen, denn erst vor diesem Hintergrund lässt sich die Orts- und Medienspezifik sakraler Repräsentationsformen in vergleichender Perspektive thematisieren und eine Topographie der Heiligenverehrung in Süditalien rekonstruieren.
Komplementär dazu wird die den Objekten eingeschriebenen Zeitlichkeit und Historizität untersucht. Wurden für alteingesessene Heilige andere, ortspezifische Darstellungsmodi gewählt als für jüngst kanonisierte? Welche Bildmedien wurden zur Beglaubigung von erst kürzlich durchgeführten Translationen und zur Unterstützung von nicht abgeschlossenen Kanonisationsverfahren mobilisiert? Ausgangspunkt ist ein Vergleich der für den Hl. Januarius und für den Hl. Ludwig von Toulouse im frühen 14. Jahrhundert in Neapel entwickelten Bildkonzeptionen, an denen sich die wechselseitige Bedingtheit von Materialität, Zeitlichkeit und Ortsspezifik exemplarisch herausarbeiten lässt.

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