Aus der Karibik nach Rom: Erkundungen über Francesco Cadet

Dr. Lothar Sickel

Bis zu seinem Tod im Januar 1830 war Francesco Cadet über fünf Jahrzehnte in Rom als Maler und Restaurator tätig. Sein Name wird in der Literatur zwar gelegentlich beiläufig erwähnt. Da keines seiner Werke erhalten schien, fand seine Person und seine künstlerische Laufbahn gleichwohl keine Aufmerksamkeit. Anfang 2018 aber gelang der Nachweis, dass sich ein Gemälde Cadets, 'Coriolanus empfängt seine Familie', in einer amerikanischen Privatsammlung befindet. Irrtümlich war es François–Xavier Fabre zugeschrieben. Die Entdeckung bildet den Ausgangspunkt einer umfangreicheren Recherche über Cadets Werdegang – beginnend mit seiner Herkunft aus der französischen Kolonie Saint Domingue, dem heutigen Haiti, wo Cadet 1755 als unehelicher Sohn eines Weißen und einer freien Farbigen geboren wurde. Sein späteres Leben in Rom und sein Schaffen ist entsprechend unter den Vorzeichen seiner dauerhaften Fremdheit als Mulatte zu betrachten. Ähnliche Untersuchungen gibt es zwar für einzelne Personen im nachrevolutionären Frankreich, nicht aber für die gesellschaftliche Situation im Rom des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts. In seinem 'Coriolanus' zeigt sich Cadet als Vertreter der neoklassizistischen Malerei, doch trotz der beachtlichen Qualität des Bildes hatte er als eigenständiger Künstler wenig Erfolg. Seine Tätigkeit als Restaurator war ein Notbehelf und brachte Cadet in Kontakt mit dem Kunsthändler Angelo Bonelli, der in den Jahren der französischen Besatzung Roms zahlreiche Kunstwerke nach England schmuggelte. Darunter befanden sich auch Arbeiten Cadets, neben eigenen Kompositionen wohl auch Kopien nach Altmeistern wie Claude Lorrain, die in England vielleicht als Originale verkauft wurden. Die Studie rekonstruiert also nicht allein eine Künstlerbiographie, sondern auch eine sozialgeschichtlich seltene Facette des römischen Kulturbetriebs.

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