Romvedute aus Hartmann Schedel, Weltchronik, Nürnberg 1493 (Foto Wikimedia Commons)

Roma communis patria

Die Fremdengemeinschaften in Rom zwischen Mittelalter und Neuzeit

Als Papstresidenz, Wallfahrtsort und Kunstmetropole war die Ewige Stadt über Jahrhunderte eine Anlaufstelle für Fremde unterschiedlichster Herkunft. Seit dem Mittelalter fanden sich Gruppen von Landsleuten aufgrund sprachlicher, ethnischer oder kultureller Kriterien zu Gemeinschaften zusammen, gründeten Bruderschaften und stifteten Hospize, Oratorien und Kirchen. Diese Vereinigungen traten als nationaleInstitutionen repräsentativ in Erscheinung, lange bevor sich die Nationalstaatsidee in Europa durchsetzte.

Abhängigkeiten, Loyalitäten und Konflikte innerhalb und zwischen den Gruppierungen können als Abbild in nuce des damaligen europäischen Mächtespiels gelten. Das Rom der frühen Neuzeit bietet sich daher für paradigmatische Untersuchungen zum vormodernen Nationenbegriff und den damit zusammenhängenden kollektiven Identitäten an. Neben territorialen und sprachlichen Kriterien förderten gemeinsame Erinnerungen, Traditionen, Rituale und Identifikationsfiguren das Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen Landsleuten.

Inwiefern dabei auch Kunst eine Rolle spielte, ist eine zentrale Frage des Forschungsprojektes. Dabei finden alle Kunstgattungen Beachtung, neben der Architektur, Malerei und Skulptur auch Erzeugnisse der Graphik und der sogenannten Gebrauchskunst sowie das breite Spektrum der für Feste und Prozessionen geschaffenen ephemeren Werke. Es wird geklärt, über welche einigenden Elemente – Sprache, Religion, Wertvorstellungen, Bräuche – sich die Angehörigen einer gemeinsamen natio definierten und wie diese Elemente in der visuellen Kultur Niederschlag fanden, wie also durch den Einsatz wiedererkennbarer semantischer Formeln ein Zugehörigkeitsgefühl zu einem bestimmten kulturellen Kollektiv geschaffen werden konnte. Untersucht wird auch, inwiefern die Kunstpatronage der forestieri und stranieri, der in Rom ansässigen Fremden, sich durch die repräsentative Darstellung des 'Eigenen' in bewusster Absetzung vom 'Anderen' auszeichnete oder das Ergebnis einer Durchdringung und gegenseitigen Befruchtung von importierten und lokalen künstlerischen Phänomenen war.

Aus dem Forschungsprojekt Roma communis patria sind diverse Sammelbände und Aufsätze hervorgegangen, an denen Fellows der Bibliotheca Hertziana sowie externe Wissenschaftler*innen mitgewirkt haben. mehr

Forschungsschwerpunkte

Inter-Nationales Rom: Topographie der kollektiven Identitäten in der Via Giulia
Mit dem Bau der Via Giulia ab 1508 im Auftrag Papst Julius' II. und nach Entwürfen Donato Bramantes sollte eine Verbindungsachse zwischen dem Vatikan und den wichtigsten städtischen Verwaltungsgebäuden geschaffen werden. Zu den weiteren Funktionen der neuen Straße gehörte die Leitung und Unterbringung von Pilgern, die Rom besonders anlässlich der Heiligen Jahre zu Hunderten überfluteten. mehr
Santa Maria dell'Anima: Soziale Pluralität und Kunstpatronage im konfessionellen Zeitalter
Als Martin Luther 1517 seine Thesen an das Domportal in Wittenberg anschlug, war man in Rom gerade dabei, die deutsche Nationalkirche Santa Maria dell'Anima von Grund auf zu erneuern. Das von einer Bruderschaft geführte Anima-Hospiz war bereits seit dem Mittelalter eine Anlaufstelle für Menschen aus dem Gebiet des Heiligen Römischen Reiches. mehr
Ideen, Netzwerke, Identitäten: Sant'Isidoro und seine künstlerische Ausstattung im 17. Jahrhundert
Das Collegio di Sant'Isidoro war im Rom des 17. Jahrhunderts ein bedeutendes intellektuelles Zentrum, in dem Gelehrte verschiedenster Disziplinen zusammentrafen, um aktuelle – teils brisante – theologische, philosophische und kunsttheoretische Themen zu erörtern und zu studieren. mehr
Gregor XIII. und die Fremdengemeinschaften Roms
Wohl kaum ein Papst der frühen Neuzeit setzte sich so intensiv für die in Rom ansässigen Fremden ein wie Gregor XIII Boncompagni (1572–1585). Die zahlreichen landsmannschaftlichen Gruppierungen der Stadt spielten eine wichtige Rolle für die von ihm angestrebte Einrichtung einer universellen Kirche im Sinne der Trienter Beschlüsse. Innerhalb weniger Jahre entstanden das englische und das deutsch-ungarische Kolleg, aber auch die Seminare der Maroniten, Griechen, Neophyten und Armenier sowie das Collegium Romanum. mehr
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